12.08.12

The Who rocken Olympia

Kim Gavin, der künstlerische Direktor der olympischen Spiele in London, machte bis zum Schluß ein großes Geheimnis um die Namen der Musiker, die zur großen finalen Zeremonie der Olympiade auftreten sollten. Man wolle die Tatsache würdigen, dass Musik zu den wichtigsten Kulturgütern Großbritanniens zähle, hieß es aus offiziellen Quellen.
Dass The Who als typisch britische Rockband der ersten Stunde mit von der Partie sein würden, sickerte bei Who-Fans früh durch. Man wusste freilich nicht, für welche Uhrzeit der Auftritt von Townshend & Daltrey vorgesehen war - und so wurde es ein zähes Warten auf die verrückteste Rockband der Welt. Im Verlauf der langatmigen und überraschend konzeptlosen Show fühlte sich der zunehmend genervte Who-Fan am Bildschirm mehrmals aufgerufen, dem Beispiel Keith Moons zu folgen und das Fernsehgerät aus dem Fenster zu pfeffern. Britischer Humor hin oder her, aber uns mit Spice Girls und Take That derart auf die Folter zu spannen, das war hart an der Grenze zum Erträglichen. Die große Versöhnung erfolgte dann um kurz vor eins, als man schon jegliche Hoffnung auf ein gutes Ende aufgegeben hatte. The Who setzten mit einer furiosen Vier-Nummern-Show dieser pseudokulturellen Veranstaltung eine kunstvolle Krone auf, die sie gar nicht verdient hatte. Jetzt noch einen wüsten Tritt in den Fernsehen, und dann ab ins Bett!

05.08.12

Die Beach Boys in Stuttgart

Die Stuttgarter Schleyerhalle ist für ihre Klangqualität nicht eben berühmt. Um so erstaunlicher ist, dass die ausgetüftelte Vokalartistik der Beach Boys ebendort einen Höhepunkt erlebte, wo ihn selbst geneigte Surfmusik-Fans kaum erwarten konnten. Ein halbes Jahrhundert Musikgeschichte haben die inzwischen gut siebzigjährigen Kalifornier mit geprägt - Pete Townshend zählt den Komponistenkollegen Brian Wilson nicht umsonst zu seinen größten Vorbildern. Die zahlreichen biografischen Brüche besonders der Wilson-Brüder stehen nur in scheinbarem Widerspruch zur Gute-Laune-Musik; das wird spätestens in der meisterhaften zweiten Hälfte des über zweieinhalbstündigen Konzerts in Stuttgart deutlich. Transzendenz und Heiterkeit leuchten um so offensichtlicher auf, da die persönliche Tragödie des Musikgenies Wilson plötzlich zum Preis für die jähe Tiefe wird, die in fast allen Beach-Boys-Song lauert. Wenn der kranke Meister in Jogginghose und Schlabbershirt über die überirdisch illumminierte Bühne schlurft oder am weißen Flügel mit von Psychopharmaka entlebter Miene "God Only Knows" vorträgt, gehen tausend Türen auf. Alles scheint plötzlich möglich in dieser merkwürdigen Welt, wenn traurig-weise Opas in Hawaihemden vom Traum der großen Welle singen, die ewige Schönheit von Strandgirls oder benzinsaufende Straßenkreuzer preisen. Man muss nicht immer die großen Worte finden, nicht immer die große Geste, um sein Publikum zu verzaubern und mitzureißen, sondern einfach nur gute Musik darbieten durch verdammt gute Musiker. Das haben die Beach Boys getan - es war ein großer Abend in der Stuttgarter Schleyerhalle.
Während der15-minütigen Pause sitzt Brian Wilson reglos hinter den Bühne und blickt in einen leeren Bildschirm ...